Die 1997 vom Südtiroler Landesarchiv käuflich von den Grafen Brandis erworbene, äußerlich unscheinbare querformatige Papierhandschrift (22,5 [aufgeschlagen: 45] x 16,9 cm) aus dem 17. Jahrhundert stellt die wichtigste ikonographische Quelle nicht nur, aber vor allem für die Burgenkunde des Alttiroler Raums (inklusive des Hochstifts Trient und der Welschen Konfinen) und namentlich für dessen westliche Hälfte dar.
Entstanden im Umfeld des auch historiographisch produktiven Landeshauptmanns Jakob Andrä Fhr. von Brandis (Landeshauptmann 1609/10–1628, † 1629), bietet sie meist in verschiedenen Brauntönen gehaltene Federskizzen eines unbekannten Zeichners. Die im Zuge von – wohl systematischen – Bereisungen jeweils vor Ort gefertigten Skizzen wurden zunächst von Zeichnerhand, zum Teil aber auch erst nachträglich von verschiedenen Händen beschriftet, später, zu einem unbekannten Zeitpunkt zugeschnitten und entweder in einer Art Passpartout-Technik oder ein- oder beidseitig auf 104 zum Teil altpaginierte Blätter montiert beziehungsweise geklebt. Die in baulichen und topographischen Details augenscheinlich recht zuverlässigen Skizzen und Zeichnungen wurden so albumartig und nach geographischen Gesichtspunkten in sechs folgendermaßen betitelten regionalen Großabschnitten:
„Meraner gegend von Pseyͤr an bis anfang des Vuͤntschgaͤws“
„Von der Toͤll durch ganz Vuͤntschgaͤu bis in das Münsterthal“
„Von Petersberg durch das Ober Yhn Thal gen Trasp“
„Von Meran gen Bozen bis Tramin etc.“
„Auf den Nonnsberg bis auf den Sulzberg“
„Von Salurn gen Trient[,] Rovoredo etc. auch allseitig Welsche Confinen“
zusammengestellt und schließlich durch einen Index erschlossen. Sujets sind, wie auch schon der zeitgenössische Titel „Handrisse zerschidener schloͤsser, staͤtt vnd gegenden der fuͤrstlichen graffschafft Tyͤrol“ nahelegt, vornehmlich Burgen und Ansitze, aber auch Städte (Meran, Glurns, Trient, Rovereto, Arco, Riva), Märkte (Latsch, Imst, Tramin, Kaltern), Dörfer (etwa Taufers im Münstertal oder Molveno), befestigte Klausen, Klöster (Allerengelberg, Maria Steinach), Infrastruktur (z. B. der Zoll an der Töll) und Veduten mehr oder weniger markanter Landstriche, etwa solche der südlichen Landesgrenze.
Über den Zweck lassen sich allenfalls Vermutungen anstellen; so könnten sie etwa mit Blick auf die nachweisbar enge Zusammenarbeit des Freiherrn von Brandis mit dem Historiographen Matthias Burgklechner († 1642) als Vorarbeiten für dessen landeskundliche Arbeiten erstellt worden sein. Auf jeden Fall ist dabei von einer nicht zu Ende geführten oder nur fragmentarisch überlieferten Erfassung auszugehen, da bis auf die zu den Welschen Konfinen zählende untere Valsugana die gesamte östliche Landeshälfte Tirols fehlt.
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